Bisher haben wir gelernt, dass man die Geschichte einfach machen lassen soll. Die Inspiration soll ungehindert fließen, wie sie es für richtig hält. Der Wind bläht die Segel, und nur im Ausnahmefall nehmen wir das Steuer in die Hand, um den Kurs anzupassen.
Doch was tun, wenn plötzlich Flaute ist? Wenn wir irgendwo auf hoher See gestrandet sind und weder wissen, wo wir sind, noch wo wir hinwollen? Weit und breit kein Land in Sicht, und die Vorräte gehen zur Neige. Willkommen an der ersten Schreibblockade!
Es ist ein Phänomen, mit dem sich jeder Schriftsteller früher oder später konfrontiert sieht. Man sitzt am PC und starrt wie gelähmt auf den Bildschirm. Man schreibt einen Satz, löscht ihn wieder, der war nicht gut. Die Hände liegen resigniert auf der Tastatur, der Cursor auf dem leeren Dokument blinkt ungeduldig, nichts geht mehr.
Schreibblockaden können viele Gesichter haben und zur ungünstigsten Zeit zuschlagen. Meist können sie einem damit ganz schön die Laune verderben, und vor allem wenn das Schreiben (zum Teil) die Miete bezahlen soll, stellt sich schnell der Zwang ein. Das ist aber die ganz falsche Herangehensweise, denn erzwungene Paragrafen erleiden meist das undankbare Schicksal, früher oder später gelöscht oder umgeschrieben zu werden. Und auch die aktuelle Szene zu überspringen und einfach „an einer anderen Stelle“ weiterzuschreiben würde ich aus demselben Grund nicht empfehlen.
Was aber, wenn man unbedingt weiterschreiben will? Es juckt in den Fingern, aber man kann einfach nicht die richtigen Worte finden. Ein ewiges hin und her zwischen schreiben und löschen beginnt, nichts will richtig passen, und am Ende bleibt nur der Frust. Für solche Situationen habe ich immer eine „Zweitgeschichte“ parat. Diese ist oft ungewöhnlich oder experimentell und nur für mich bestimmt. Sie kann eine Art Tagebuch sein, eine Satire, oder gar ein Sachbuch. Irgendetwas, was sich stark von der eigentlichen Geschichte unterscheidet. Wenn die Schreibblockade also zuschlägt, die Lust zum Schreiben aber bleibt, wende ich mich an diese Zweitgeschichte, denn die muss nicht „gut“ werden. Und wenn sie es am Schluss aus Versehen doch wird, bekommt man noch ein gratis Erfolgserlebnis dazu.
Ganz egal, welche Form einen erwischt — ob die Motivation ganz verloren ist, oder nur die richtigen Worte fehlen — Schreibblockaden sollte man respektieren und als Zeichen des Körpers wahrnehmen, dass etwas nicht stimmt. Sie sind eine Einladung, nach innen zu lauschen und die eigenen Bedürfnisse zu reflektieren. Oft schlagen sie nämlich in besonders stressigen Zeiten zu, bei Krankheit oder wenn die mentale Gesundheit angeschlagen ist. Die Universalantwort auf eine Schreibblockade ist also: Pause machen — und erst danach langsam den Weg hinaus suchen.
Um eine Schreibblockade zu überwinden gibt es mehrere Möglichkeiten, für den Anfang hilft es aber immer, den Kopf frei zu bekommen. Lenkt euch ein paar Tage ab, macht alles andere, was vielleicht liegen geblieben ist: Aufräumen, Hausaufgaben, Gartenarbeit, der Anruf bei den Großeltern, Sport, oder auch einfach nur Faulenzen und mal gar nichts tun. Gerade letzteres wirkt manchmal Wunder, wenn man sonst eher einen vollen Terminplan hat.
Nachdem ihr eine Weile nicht über die Geschichte nachgedacht habt, kommt meist der Moment, wenn ihr euch denkt „ich glaube, ich würde gern weiterschreiben“. Um den Kreislauf vom gedankenlosen Starren auf die leeren Seiten aber nicht zu wiederholen, solltet ihr eure Gewohnheiten ein wenig aufmischen. Ihr schreibt sonst am PC? Macht euch erst Notizen mit Stift und Papier. Ihr schreibt sonst zu Hause im Wohnzimmer? Geht nach draußen, an den See, in den Park oder in das Café an der Ecke. Ein Ortswechsel geht ebenfalls oft mit unerwarteter Inspiration einher.
Anstatt gleich weiterzuschreiben kann es auch helfen, erst einmal einen stichpunktartigen Abriss der Geschichte aufzuschreiben. Dieser ist flexibel und kann im Nachhinein leicht angepasst werden, gibt euch aber schon mal einen groben Überblick, wo ihr hinwollt. So lassen sich auch kleine Inspirationsschnipsel über den Tag auffangen und festhalten, ohne sie gleich ausformulieren zu müssen. Und früher oder später passiert es dann ganz von selbst, dass aus den zwei Zeilen Notizen, die man sich eigentlich machen wollte, ein ganzes Kapitel mit mehreren Seiten entsteht.
Zurück an Bord unseres Schiffes bringt es also nichts, in einer Flaute zum Ruder zu greifen. Viel eher sollten wir die Zwangspause nutzen, um uns zu erholen, das Deck auf Vordermann zu bringen und den Mannschaftszusammenhalt mit Kartenspielen, Gesang und Seemannsgarn zu stärken. Der Wind lässt sich nicht zwingen, aber der erfahrene Kapitän weiß, dass er immer von selbst zurückkommt, oft, wenn man es am wenigsten erwartet.
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