Viele der wichtigsten Fragen, die eine Geschichte ausmachen, haben wir nun schon beantwortet: Das Was, Wie, Wer und Warum. Doch um wirklich in das Schreibabenteuer zu starten, müssen wir noch eine weitere wichtige Frage beantworten: Das Wo.
Jede Geschichte braucht einen Schauplatz, ganz gleich, ob er nun auf ein einzelnes Zimmer beschränkt ist, oder sich über mehrere Königreiche, Kontinente oder gar Planeten ausdehnt. Und ähnlich wie bei den anderen Aspekten unserer Geschichte, nehmen wir hier auch nichts vorweg, sondern lassen uns ganz von den Geschehnissen leiten. Allerdings gibt es hier einige Dinge zu beachten, denn anders als Charaktere, können einem Welten ganz schnell über den Kopf wachsen. Und kleinere Unstimmigkeiten können bei Nichtbeachten dazu führen, dass ganze Gesellschaften und politische Strukturen plötzlich keinen Sinn ergeben.
Eine Welt, das ist nicht nur die Geographie. Die ist leicht zu kartographieren, während man sie entdeckt und vergibt kleine Fehler leichter. Viel wichtiger an der Welt einer Geschichte sind die abstrakten Konzepte: Gesellschaft, Politik, Religion, Geschichte, Völker, aber auch Flora und Fauna. Wenn daran etwas nicht stimmt, kann das schnell auffallen und im schlimmsten Fall die ganze Immersion des Lesers zunichtemachen. Das klingt jetzt vielleicht einschüchternd, aber keine Sorge, es gibt für jedes Problem eine einfache Lösung und wie so oft heißt es auch hier: Geduld haben. Zuhören. Und feststehende Dinge aufschreiben und festhalten.
Fangen wir mit einem kleinen Beispiel an. Das macht die Veranschaulichung leichter und zeigt auf, dass auch Geschichten mit „kleinen“ Welten von dieser Technik profitieren.
Stellt euch vor, ihr wollt eine Kurzgeschichte über eine Familie schreiben, die am Küchentisch ein Brettspiel spielt. Zunächst genügt es, wenn ihr wisst, wie der Tisch aussieht. Welche Form hat er, wie viele Stühle stehen dabei und wo sitzt jedes Familienmitglied? Auch wenn das noch nicht viele Informationen sind, solltet ihr sie euch irgendwo aufzeichnen, auf einem Blatt Papier, dem Handy oder einem speziellen Kartenprogramm auf dem PC, alles ist erlaubt. Sobald sich die Geschichte nämlich entwickelt, müssen wir diese Karte des Küchentischs entsprechend erweitern. Irgendwann bittet der Vater die Mutter vielleicht, die Vorhänge zu schließen, weil ihm die untergehende Sonne ins Gesicht scheint. Schon wissen wir, dass er dem Westfenster zugewandt sitzt und können das in der Karte einzeichnen. Auf dem Rückweg geht die Mutter noch am Kühlschrank vorbei, und nimmt sich ein neues Getränk. Auch das kommt auf die Karte. Der Nachbar kommt zur Tür herein? Wir schauen auf die Karte und sehen eine auffällige Lücke auf einer Seite. Dort muss dann wohl die Tür sein. Und so wächst die Karte mit jeder Handlung der Charaktere. Sie hilft uns, kleine Entscheidung wie diese zu treffen und verhindert gleichzeitig, dass wir Tür und Fenster an dieselbe Stelle legen und die ganze Küche plötzlich keinen Sinn mehr ergibt.
Aber das ist der leichtere Teil der Übung. Denn wie zuvor schon angedroht, hat selbst die kürzeste Geschichte in der kleinsten Welt eine gesellschaftliche und politische Struktur. Die Mutter mag den Nachbarn vielleicht nicht, weil er immer zu nah an den Rosenbüschen parkt. Der Vater kann ihn aber gut leiden, weil sie sich jeden Samstag zum Bowlen treffen. Worüber spricht die Familie am Küchentisch? Welche politische Orientierung hat der Vater? Vertragen sich die beiden Kinder und gehen sie auf dieselbe Schule? All das beeinflusst, wie die Charaktere untereinander handeln und wie sich die Geschichte entwickelt. Dieses Beispiel im Kleinen lässt sich auf eine beliebig große Welt ausweiten, was natürlich auch bedeutet, dass die entsprechenden Karten und Aufzeichnungen umfangreicher werden. Beziehungen zu kartographieren ist da etwas schwieriger, als die Umgebung. Vor allem, weil hier nichts wirklich in Stein gemeißelt ist. Es hilft jedoch, die bisherigen Informationen festzuhalten, und zumindest eine grobe Vorstellung davon zu haben, wie die Welt auch außerhalb der Grenzen der Geschichte aussieht. An dieser Idee könnt ihr euch orientieren, ohne euch zu sehr festzulegen.
Erinnert euch immer daran, dass die Geschichte lebendig ist. Sie lässt sich nicht gerne in eine Form zwingen, und zu starre Vorgaben straft sie manchmal mit Ungehorsam. Dann passen die Dinge nicht mehr zusammen, bis vielleicht gar nichts mehr einen Sinn ergibt. Reicht der Geschichte stattdessen die Hand und bestreitet die gemeinsame Reise in ihrer eigenen Geschwindigkeit. Akzeptiert sie als das, was sie ist und helft ihr beim Wachsen. So kommt ihr gemeinsam sicher ans Ziel.
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