Im Gespräch mit anderen kreativen Köpfen tritt immer wieder ein Muster auf: Viele von ihnen haben tausende Ideen, dutzende begonnene Projekte … aber kaum eines davon ist beendet. Bei mir verhält es sich ähnlich, wenn auch nicht exakt gleich. Vor kurzem habe ich eine Geschichte beendet. Und trotz einer gewaltigen Sammlung an neuen Ideen, die ich seit 2022 zusammengetragen habe, fiel es mir unendlich schwer, danach ein neues Projekt zu starten. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, warum, und ein wenig ist es eine Erklärung für Schwierigkeiten sowohl mit dem Ende, als auch mit dem Neuanfang: Kurz gesagt – ich habe Liebeskummer.

Jedes Ende bedeutet einen Abschied, eine Trennung, vielleicht sogar einen Verlust. Wir haben das Gefühl, etwas in unserem Leben einzubüßen. Es ist wie die Aussicht auf einen langen, dunklen Winter, der den Wunsch aufkommen lässt, der Sommer möge niemals enden. Und so halten wir ihn fest, den Sommer, die Geschichte, das Projekt, denn wenn es nicht endet, dann muss es immer ein Teil von uns sein, alterslos und ewig an unserer Seite.

Gerade beim Schreiben kann es vorkommen, dass die erfundenen Charaktere über ihre geschriebene Form herauswachsen. Sie werden von Ideen zu Personen zu Freunden zu heimlichen Liebschaften. Und gerade in meiner letzten Geschichte gab es einen Charakter, in den ich mehr als nur ein wenig verliebt war. Die Geschichte zu beenden bedeutete auch einen Abschied von diesem Charakter, doch erst lange später ist mir bewusst geworden, wie sehr dieser Abschied mich wirklich getroffen hat. Ich war wirklich wie gelähmt, der Gedanke, eine neue Geschichte mit neuen Charakteren anzufangen, fühlte sich an wie Verrat an dieser verflossenen Liebe. Es dauerte lang, bis ich diese Trennung überwunden hatte und wieder nach vorne blicken konnte. Um ehrlich zu sein, blicke ich auch jetzt noch immer wieder sehnsüchtig zurück und wünsche mir ein bisschen, in die alte Geschichte zurückzukehren.

So ein Abschied kann schmerzhaft sein. Doch so schwer es auch ist, liebgewonnene Charaktere loszulassen, wenn wir sie derart an uns ketten, halten wir nicht nur die Geschichte davon ab, sich zu entfalten, den Kokon zu verlassen und als strahlender Schmetterling die Welt ein wenig bunter zu machen. Die Furcht vor dem Ende schränkt auch uns selbst ein, legt uns dieselben Ketten an und hindert uns daran, uns weiterzuentwickeln. Hätte ich mich von einer früheren Geschichte so fesseln lassen, hätte ich diesen Charakter vielleicht nie kennen gelernt. Und jetzt, nachdem ich ihn und seine Geschichte schweren Herzens losgelassen habe, wer weiß, welche Abenteuer, Freunde, Feinde und alles dazwischen noch auf mich wartet?

Traut euch, eine Geschichte zu beenden.

Nehmt euch Zeit, zu trauern und den Abschied zu verarbeiten.

Und dann traut euch, eine neue Geschichte zu beginnen.

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