Achtung, ab hier fängt alles langsam an, technischer zu werden. Aber keine Angst! Wir fangen jetzt trotzdem nicht an, unsere Geschichte in eine mathematische Gleichung zu zwängen. Doch abgesehen von manchen experimentellen Ausnahmen, sollte man doch einige Regeln beachten, wenn auch die Erfahrung der Geschichte für das Publikum eine positive Erfahrung sein soll. Dafür muss man die eine oder andere Entscheidung treffen und Durchhaltevermögen beweisen, damit das Schiff der Geschichte nicht auf Grund läuft und schlimmstenfalls sogar sinkt!

Eine erste dieser Entscheidungen wird euch aber teilweise schon von euren ersten Schreibversuchen abgenommen: Die des Erzählers.

Jede Geschichte – vorausgesetzt, es handelt sich um einen Prosatext – hat eine Erzählerstimme. Hat man erst einmal angefangen, eine Geschichte niederzuschreiben, gesellt sie sich ganz natürlich unter die Figuren und nimmt ihren vorbestimmten Platz in der erzählten Welt ein. Der Erzähler ist dabei nicht mit dem Autor zu verwechseln, es sei denn, ihr schreibt eine Autobiografie, aber selbst da ist es nicht immer eindeutig. Viel eher kann man sich den Erzähler als einen weiteren, unsichtbaren Charakter innerhalb der Geschichte vorstellen, der mehr oder weniger mit existierenden Charakteren verschmolzen sein kann.

Kurz gesagt muss man folgende Unterscheidungen treffen:

• Perspektive: 1. Person (ich) oder 3. Person (er, sie, es)
• Fokalisierung: Intern (= Charakter) oder extern (außenstehend)
• Allwissend oder nicht
• Zuverlässig oder unzuverlässig

Bei meinen Geschichten handelt es sich dabei zum Beispiel um einen intern fokalisierten Erzähler der dritten Person (auch „personaler“ Erzähler genannt). Das bedeutet, die Geschichte wird aus dem Blickwinkel einer ihrer Figuren erzählt. Man erfährt viel über die Motivation und Gedanken der erzählenden Figur. Die Gedanken und Beweggründe anderer Charaktere, oder die Zusammenhänge des großen Ganzen, bleiben aber Spekulationen. Das bedeutet in diesem Fall auch, dass man als Leser nicht immer für bare Münze nehmen sollte, was einem ein solcher Erzähler erzählt. Es gibt immer Dinge, die die Charaktere nicht wissen. Sie können sich irren, oder auch ganz bewusst lügen – also unzuverlässig sein. Werft einen Blick in den Beitrag zur Waldhexe Saphira, sie ist ein gutes Beispiel dafür, woran man einen unzuverlässigen Erzähler erkennt.

Der Fokalisierer, also die Figur, durch deren Augen wir die Welt betrachten, kann dabei auch wechseln. Das sollte aber nicht im Fließtext, sondern nur nach einem Absatz oder in einem neuen Kapitel passieren. Und man sollte auch bedenken, dass es sich dann um einen neuen Erzähler handelt, der einen anderen Blickwinkel auf die Geschichte, andere Meinungen und Beweggründe hat, die sich auf die Art des Erzählens auswirken.

Auch wenn der Erzähler zu keinem existierenden Charakter gehört, sondern eine unbeteiligte, dritte Stimme ist, sollte sie sich einheitlich und nachvollziehbar lesen lassen. Deswegen kann es helfen, den Erzähler als eigenständigen Charakter zu sehen. Denn eure Figuren sollen ja auch nicht plötzlich ihre Persönlichkeit ändern. Stellt euch vor, eure würdevolle Königin fängt plötzlich an, wie der letzte Pöbel zu sprechen oder umgekehrt. Genauso verhält es sich mit einer nicht einheitlichen Erzählerstimme.

Wer mehr über die verschiedenen Erzählerarten wissen möchte, kann dazu selbstverständlich das Internet befragen. Aber darum geht es hier nicht. Wir wollen nicht für jede Art der Erzählstimme ein Beispiel haben, um uns dann eine auszusuchen und der Geschichte aufzwingen, sondern wir bleiben mit ihr auf Augenhöhe. Hier geht es darum, die Erzählerstimme der Geschichte zu erkennen und beizubehalten.

Wenn ihr also eure erste Szene habt, lest sie euch noch einmal genau durch. Wer spricht? Wie viel weiß er über die Geschichte? Wie nah ist er dem Geschehen und wie zuverlässig erzählt er? Wenn ihr den Charakter eures Erzählers kennt, müsst ihr gar nicht so viel über die Theorie wissen, sondern könnt einfach ganz intuitiv seine Stimme beibehalten.

 

Unsere Leserwertung
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